Eine Sonderauswertung des Arbeitsklima Index zeigt: Über zwei Millionen unselbstständig Beschäftigte in Österreich gehen auch dann arbeiten, wenn sie krank sind – auf Kosten ihrer Gesundheit. Damit ist ein Höchststand seit Beginn der Erhebungen 2008 erreicht. „Pflichtgefühl gegenüber Kolleg:innen“ ist der häufigste Grund.
Während vor fünf Jahren rund ein Drittel auch krank zur Arbeit gegangen ist, ist dieser Anteil mit Beginn der Pandemie auf über 50 Prozent angestiegen. 2023 hat der sogenannte Präsentismus mit 59 Prozent einen neuerlichen Höchststand erreicht. Andreas Stangl, Präsident der Arbeiterkammer Oberösterreich, und IFES-Projektleiter Martin Oppenauer haben im Zuge einer Pressekonferenz über Ergebnisse einer Sonderauswertung des Arbeitsklima Index informiert.
Pflichtgefühl gegenüber Kolleg:innen häufigster Grund
Die Gründe für Präsentismus sind vielfältig. Das Pflichtgefühl gegenüber den Kolleg:innen spielt für den Großteil der Betroffenen eine wesentliche Rolle. 56 Prozent geben an, sie seien mitunter deshalb krank arbeiten gegangen. Für 40 Prozent wäre sonst die Arbeit liegen geblieben, ein Drittel hätte keine Vertretung gehabt. Unter den Arbeiter:innen klagt jede:r Fünfte auch darüber, dass sonst berufliche Konsequenzen wie Ermahnung oder Kündigung gedroht hätten.
Keine Vertretung: Zwei Drittel der Pflegekräfte gehen auch krank arbeiten
Hinter diesen Motiven könnten sich auch Faktoren verbergen, die mit Arbeitsorganisation und Führungskultur zu tun haben. So fällt die Zufriedenheit mit dem Führungsstil der Vorgesetzten, mit der sozialen Einstellung des Betriebes oder der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben bei Betroffenen etwa deutlich kritischer als im Durchschnitt aus. Knapp 40 Prozent der Beschäftigten, die krank arbeiten, geben an, dass es eher bzw. sehr unwahrscheinlich ist, dass sie in ihrem Beruf bis zur Pension durchhalten werden. Bei den anderen Beschäftigten sind es mit 28 Prozent deutlich weniger.
Keine Vertretung: Pflegeberufe besonders betroffen
In einigen Branchen herrscht zudem ein noch immer hoher Personalbedarf vor. So gehen rund zwei Drittel der Beschäftigten im Gesundheits- und Sozialwesen auch krank arbeiten – am höchsten ist der Anteil in den Pflegeberufen. Im Bereich Industrie und Gewerbe sind es 60 Prozent. Auch Homeoffice scheint das Phänomen zu begünstigen: 61 Prozent der Beschäftigten mit Homeoffice-Möglichkeit arbeiten auch trotz akuter Erkrankung. Dort, wo Homeoffice nicht möglich ist, macht dieser Anteil 53 Prozent aus.
Negative Auswirkungen auf die Gesundheit
Präsentismus wirkt sich negativ auf die Gesundheit der Betroffenen aus. Nimmt man sich nicht ausreichend Zeit für die Genesung, hat das oftmals negative Folgen: Jede:r Zweite klagt darüber, deshalb öfter müde, abgeschlagen oder matt gewesen zu sein. Rund ein Drittel berichtet, bei der Arbeit dann unkonzentriert gewesen zu sein. Für 16 Prozent der Betroffen hat das mitunter dazu geführt, länger krank gewesen zu sein. Während 80 Prozent der Beschäftigten, die bei Krankheit zu Hause bleiben, ihren Gesundheitszustand als „gut“ oder „sehr gut“ einschätzen, sind es bei denjenigen, die trotz Krankheit in den Betrieb gehen, nicht einmal 60 Prozent.
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Martin Oppenauer, BA
Wissenschaftlicher Projektleiter
Tel: +43/1/54670 – 322
martin.oppenauer@ifes.at
Dr. Reinhard Raml
Geschäftsführer
Tel: +43/1/54670 – 321
reinhard.raml@ifes.at
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